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2001 Panne Nr. 4 – Treibstangenlagerschaden

Panne Nr. 4 – Treibstangenlagerschaden

Rechtzeitig vor Beginn der Werksferien im Dampflokwerk Meiningen kann die 012 100-4 am 06. Juli von uns übernommen werden. Die Lok ist ausgeachst und das ausgeschmolzene Lager neu ausgegossen worden. Wie wir bei der ersten Nachschau feststellen können, hat man sogar ein anderes Lagergehäuse eingesetzt, in das im Übrigen die Loknummer ‘41 226′ eingestanzt ist. 

Des Weiteren fällt auf, dass die linke Treibstange metallisch blank ist. So können wir die Lok nicht übernehmen. Der Werkmeister erklärt, dass die Stange wegen starker Verschmutzung in der Waschmaschine behandelt worden sei und veranlasst, dass die Stange wieder im Steg mit roter Farbe versehen wird.

Die Rücküberführung von Meiningen nach Neumünster verläuft ebenso unproblematisch, wie die beiden sich anschließenden Sonderfahrten von Hamburg über Lübeck nach Kiel am Wochenende 21./22. Juli, sowie die Nachtfahrt nach Osnabrück incl. der damit verbundenen Lz-Fahrten zwischen Neumünster und Hamburg.

Am 11. August soll die 012 mit einem Sonderzug zur ‘Hanse-Sail‘ nach Warnemünde fahren. Lokführer Leo Walter und Heizer Hendrik Speek haben die Aufgabe, die Lok am Vortag in Neumünster anzuheizen und abends leer nach Hamburg-Eidelstedt zu überführen. Alles funktioniert einwandfrei, gegen 19.30 Uhr fahren die beiden in Neumünster los.

Das Einfahrvorsignal von Wrist zeigt Warnstellung und Leo Walter bremst die Lok aus einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h vorsichtig ab. Bei etwa 20 km/h vernehmen die beiden Schwarzen einen starken Ruck, so, als wären sie auf ein großes Hindernis aufgefahren. Sie steigen ab und trauen ihren Augen nicht: Auf der linken Lokseite haben sich die Treib-, sowie die erste Kuppelstange verbogen bzw. verwunden, gegenüber steht die erste Kuppelstange ungefähr 15° schräg nach oben. Beschädigt ist obendrein die mittlere Schwingenstange, welche just in dem Moment, in dem sich der erste Treibradsatz in Folge der durch das Festfressen des linken Treibstangenlagers aufgetretenen Kräfte kurzzeitig aufgebäumt haben muss, in den Radius dessen gekröpfter Radsatzwelle geraten ist und dabei einen heftigen Schlag erlitten hat.

Dem Lokpersonal bleibt nichts anderes übrig, als sofort die Strecke sperren zu lassen und den Hilfszug anzufordern. Sie veranlassen, dass das DBMuseum verständigt und für die Fahrt nach Warnemünde eine Ersatzlok bestellt wird. Walter und Speek haben einen Kloss im Magen, am liebsten würden sie ihren Beruf an Ort und Stelle aufgeben. Was zu viel ist, ist zu viel!

Bevor der Hilfszug eintrifft, sind Horst Möhrke, Hauke Schümann und Volker Siewke aus Elmshorn herbeigeeilt. Die Unterstützung, die die Kollegen erteilen können, ist vornehmlich moralischer Natur. Fachlich gibt es dem, was bereits unternommen bzw. veranlasst worden ist, kaum etwas hinzuzufügen. Die Mannschaft des Hilfszuges hat schließlich nicht mehr (aber auch nicht weniger!) zu tun, als die beschädigten Stangen abzubrennen. Ein herber Anblick für uns …

Gegen 05.30 Uhr steht die Lok wieder im Lokschuppen des Bw Neumünster. Niemand vermag auch nur annähernd zu mutmaßen, wie alles weitergehen soll. Schon am 15. August trifft eine hochkarätige Kommission in Neumünster ein, um die Lok in Augenschein zu nehmen. Neben dem Betriebsleiter des DBMuseums Sekund und dem Abnahmeinspektor des DLW Meiningen Reichert ist kein geringerer, als Fritz Schröder, Oberster Betriebsleiter des DB-Konzerns aus Berlin angereist. Alles wird auf den Prüfstand gestellt: Ist das Personal ausreichend qualifiziert? Liegen die Voraussetzungen für eine fachgerechte Wartung und Instandsetzung der Lok in Neumünster vor?

Wir bleiben der Kommission keine Antwort schuldig und können anhand entsprechender Dokumente alle geforderten Nachweise erbringen. Zum Schluss ist man sich darüber einig, dass die Lok alsbald dem DLW Meiningen zur (abermaligen) Instandsetzung zugeführt, und danach, wie vertraglich vereinbart, weiterhin in Neumünster beheimatet bleibt.

 Bild-4a.jpg  Dieser Anblick ging Lokführer Leo Walter und Heizer Hendrik Speek am 10.08.2001 nördlich Wrist durch Mark und Bein … (Foto: H. Schümann)